KHT 2022 Themenstand 2: Mittelständische Unternehmen in Zeiten von Inflation und Energiekrise

Welche Veränderungen sind in den Unternehmen schon jetzt spürbar – und was kommt noch auf uns zu? Welche Auswirkungen wird dies gesellschaftlich haben – und wie gehen wir damit um? 

Landtagsabgeordnete: Elke Barth (SPD), Mathias Wagner (Grüne), Marion Schardt-Sauer (FDP), Dr. Matthias Bürger (FDP), Kaya Kinkel (Grüne), Heike Hofmann (SPD)

Moderator Moritz Bartling (WJ Kassel) fasst die Gespräche an Themenstand 2 zusammen:

 

Einleitung:

Die vergangenen Jahre der Corona-Pandemie waren für viele Unternehmen unseres Verbands eine große Herausforderung. In jungen KMU konnten die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen nur deshalb gemindert werden, weil Unternehmerinnen und Unternehmer enormen persönlichen Einsatz bis hin zur finanziellen und mentalen Belastungsgrenze gezeigt haben. Eine Erholungsphase wäre dringend notwendig gewesen, stattdessen befindet sich Europa seit Februar 2022 inmitten eines Energiekriegs. Eine hohe Inflation und rasant steigende Energiekosten machen der Wirtschaft zu schaffen. In diesen Zeiten gilt es besonders, den nachwachsenden jungen Mittelstand im Fokus zu haben.

 

Welche Veränderungen sind bereits spürbar?

 

1.  Anfälligkeit von Lieferketten und Rohstoffengpässe

Bereits während der Corona-Pandemie wurden Lieferketten einem Stresstest unterzogen und zeigten starke Anfälligkeiten. Durch die hinzugekommene Energiekrise sind ähnliche Effekte auch beim produzierenden Mittelstand deutlich spürbar.

Beispiel: fehlende Planungsgrundlage durch kurze Laufzeiten von Stromverträgen

Aufgrund der stark schwankenden Preise an den Energiebörsen werden Unternehmen mit hohem Energiebedarf oftmals nur Stromverträge mit kurzen Laufzeiten angeboten. Dies schafft jedoch keine Grundlage für eine wirtschaftliche Planungssicherheit. Gerade produzierende KMU (z.B. aus dem Bereich Maschinenbau) sind von diesem Negativeffekt bedroht. Teilweise ist es nicht mehr möglich, für den Bau einer Maschine, die binnen eines Jahres aufgeliefert werden soll, ein verbindliches Angebot abzugeben, da es derzeit keine verlässliche Kalkulationsgrundlage für den Energiebedarf gibt. Dies schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der KMU gegenüber internationalen Konkurrenten.

 Beispiel: Beschaffungsprobleme bei Medikamenten

Darüber hinaus verzeichnen insbesondere die Unternehmen unserer Mitglieder mit einer hohen Abhängigkeit zu asiatischen Lieferketten (z.B. Apotheken) kritische Beschaffungsengpässe. Diese Abhängigkeit ist durch den hohen Preisdruck auf Pharmaunternehmen und die damit verbundene Verlagerung von Produktionsstätten in Billiglohnländer entstanden. Kritische Lieferengpässe gibt es insbesondere bei Medikamenten, die in der Krebstherapie eingesetzt werden, sowie bei Impfstoffen, Antibiotika und Narkosemitteln.

 2. Lohn-Preis-Spirale

Unabhängig von der Branche verzeichnen unsere Mitglieder in ihren Unternehmen bereits zunehmend höhere Gehaltsforderungen durch die Mitarbeitenden, weil diese die spürbar gestiegenen Lebenshaltungskosten ausgleichen müssen. Viele unserer Mitglieder sehen sich gezwungen, die steigenden Lohnkosten wieder an ihre Kunden weiterzugeben, um die eigene wirtschaftliche Stabilität nicht zu gefährden. Mit dieser Entwicklung begeben wir uns in eine Lohn-Preis-Spirale, die sich immer weiter zuspitzt.

In Kombination mit einer sinkenden Nachfrage durch den Endverbraucher kann eine Lohn-Preis-Spirale für mittelständische Unternehmen nicht nur zur Innovationsbremse, sondern auch zum Risikofaktor bei der Sicherung von Arbeitsplätzen werden. Dies gilt es, gemeinsam zu verhindern.

3. Finanzierungsprobleme

Bereits heute berichten die Unternehmen, dass bei Finanzierungsprojekten eine höhere Risikoaversion seitens der Banken wahrnehmbar sei. Dies zeigt sich insbesondere in verschlechterten Risikobewertungen trotz gleichgebliebener finanzieller Situation eines Unternehmens.

4. Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel ist auch in der jungen Wirtschaft deutlich spürbar, daher wünschen wir uns eine sinnvolle Zuwanderungspolitik mit niedrigeren Hürden für qualifizierte ausländische Fachkräfte (z.B. aus dem IT- / Softwarebereich), die Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt suchen.

5. Analoge Prozesse in Behörden

Als junge Wirtschaft denken wir digital. Häufig passt dies nicht zur Realität in den Behörden, wo teilweise immer noch analog gearbeitet wird. Wir wünschen uns daher noch mehr digitale Prozesse innerhalb der staatlichen Institutionen.

 

 

Welche Best Practices gibt es?

1. Förderprogramme zur Unterstützung von Technologie-KMU (z.B. Distr@l)

Bei steigenden Kosten und sinkender Nachfrage stehen insbesondere Technologie-KMU vor großen Herausforderungen bei der Finanzierung der nächsten Entwicklungsschritte. Mit den Förderlinien des Distr@l-Programms steht bereits heute ein zielgerichtetes Instrument zur Förderung von technologischen Innovationen mittelständischer Unternehmen in Hessen zur Verfügung. Wir möchten dafür werben, dieses Förderprogramm auf eine breitere finanzielle Basis zu stellen, um in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit gerade KMU den Nährboden für neue Innovationen zu geben.

2. Corona-Liquiditätshilfen

Die unbürokratische Bereitstellung von Liquiditätshilfen während der Corona-Pandemie wurde von den Teilnehmenden (mit Ausnahme der Hotellerie und der Veranstaltungsbranche) als wertvoller Beitrag zur Sicherung der finanziellen Stabilität wahrgenommen. Um die Auswirkungen der Energiekrise für besonders betroffene Unternehmen abzumildern, wäre ein ähnlich pragmatisches Vorgehen seitens der Landes- und Bundespolitik sehr wünschenswert.

3. Steuerfreie Einmalzahlung

Von den Teilnehmenden wurde das Instrument der steuerfreien Einmalzahlung positiv wahrgenommen. So konnten steigende Lohnforderungen der Mitarbeitenden zumindest teilweise kompensiert werden. Um den Aufwand für Unternehmen zu minimieren, wäre für den zukünftigen Einsatz solcher Instrumente weiterer Bürokratieabbau wünschenswert.

Idee: punktzentraler Ansprechpartner für Fördermittel

Vielen Unternehmen sind bestehende Fördermöglichkeiten gar nicht bekannt, da es schwierig ist, in einem dezentralisierten Fördersystem (Land, Bund, EU) einen Überblick zu erhalten. Daher wäre ein punktzentraler Ansprechpartner für alle Fördermöglichkeiten wünschenswert. Ein solche Stelle könnte ein Startup-Kit für neugegründete Unternehmen und Nachfolgeunternehmen komplettieren.

CHRISTINA SIMON

Expertin für strategische Kommunikation, Reportagefotografin, Illustratorin — mit Sinn für das Besondere.

https://www.markenflora.com
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KHT 2022 Themenstand 5: Junge Wirtschaft trifft Landespolitik – Ausblick