KHT 2022 Themenstand 3: (Digitale) Infrastruktur im ländlichen Raum
Wie ist der Status Quo für Unternehmen und Arbeitnehmer? Welche Veränderungen wären dringend nötig? Welche Maßnahmen können konkret angegangen werden?
Landtagsabgeordnete: Stephan Grüger (SPD), Torsten Leveringhaus (Grüne), Katrin Schleenbecker (Grüne), Andreas Hofmeister (CDU), Tobias Eckert (SPD)
Moderator Amir Nimer (IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern und Landesgeschäftsführer der WJ Hessen e.V.) fasst die Gespräche an Themenstand 3 zusammen:
Wie ist der Status Quo für Unternehmen und Arbeitnehmer?
Im Austausch zum Thema Intrastruktur im ländlichen Raum wird zwischen Digitaler Infrastruktur und der Infrastruktur des Öffentlichen Personen Nahverkehrs unterschieden.
Digitale Infrastruktur:
Die Mobilfunk- und Breitbandanbindung ist sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen ein entscheidender Faktor zur Ansiedlung im ländlichen Raum. Da die Anbindung in weiten Teilen des ländlichen Raums zu wünschen übrig lässt, mangelt es an Attraktivität, sich in diesen Regionen niederzulassen.
Die mittlerweile gängigen Arbeitsmodelle wie z. B. das Homeoffice sind im ländlichen Raum aufgrund der fehlenden Breitbandanbindung teilweise nur schwer umsetzbar. Doch auch für Privatpersonen, die das Homeoffice nicht nutzen, ist die fehlende Bandbreite ein Ausschlusskriterium für die Ansiedlung in bestimmen Teilen des ländlichen Raums. Grundstücke sowie Immobilien für Privatpersonen sind jedoch vorhanden.
Für Unternehmen aller Branchen ist die Bandbreite ein noch entscheidenderer Faktor. Gerade im produzierenden Segment stellt dies ein Problem dar. Internet of Things (IoT) ist hier das Stichwort. Ohne die dafür erforderliche Bandbreite ist der Standort im ländlichen Raum nur schwer zu realisieren.
Doch nicht nur die Bandbreite spielt eine wichtige Rolle. Auch bei der Mobilfunkanbindung gibt es noch Verbesserungspotenziale. Aktuell gibt es noch zu viele Regionen, in denen teilweise kein Netz zur Verfügung steht. Bemerkbar macht sich dies vor allem bei Telefonaten im Auto oder im Zug. Abgebrochene Gespräche aufgrund des fehlenden Netzes sind hier keine Seltenheit.
Die rückläufige Bevölkerungszahl im ländlichen Raum spielt natürlich auch eine Rolle für die Unternehmen, da hier potenzielle Kunden den Weg in die Stadt gehen und somit ihre Kaufkraft eher dort Anwendung findet. Jedoch kann dies auch von der anderen Seite aufgezogen werden. Sind keine Unternehmen des B2C Markts in der ländlichen Region angesiedelt, so müsst die Privatperson für z. B. Einkäufe möglichweise in den nächsten Ort fahren. Das dies aufgrund der ausbaufähigen Infrastruktur im ÖPNV nicht immer ohne Probleme möglich ist, stellt auch ein Problem dar.
Die fehlende Attraktivität hat also für beide Seiten negative Folgen.
Infrastruktur des Öffentlichen Personen Nahverkehr
Aktuell ist das Auto unerlässlich für das Leben im ländlichen Raum. Der Weg zur Arbeit, zum Einkauf oder zu Freizeitaktivitäten ist mit dem Auto deutlich schneller absolviert. Wenn es jedoch eine direkte Anbindung mit Bus und Bahn gibt, ist diese auch nur in einem gewissen Zeitfenster nutzbar. Oft steht der ÖPNV gerade Abends/Nachts nicht mehr zur Verfügung.
Die Beschaffenheit der Straßen im ländlichen Raum weisen durch die jahrelange Nutzung von PKWs, LKWs und Bussen teilweise erhebliche Mängel auf. Die Sanierung dieser Straßen oder der Ausbau des ÖPNV dauert von der Planung bis hin zur tatsächlichen Umsetzung nicht selten mehrere Jahrzehnte. Zudem kommt der Mangel an Arbeitskraft. Gerade durch Corona mussten einige Projekte pausiert werden, da nicht genügend Fachkräfte (auch aus anderen EU-Staaten) zur Verfügung standen.
Der Ausbau des ländlichen Raums steht auch vor bürokratischen Hürden, denn bei der Planung solcher Vorhaben spielt sowohl das Land als auch der Kreis eine politische Rolle. Die Abgeordneten des Landtags bestimmen einen Rahmen, an dem sich die Kommunen bei der Ausgestaltung des Kreises orientieren. Die Kommune entscheidet jedoch, welche Projekte angegangen werden und steuert deren Umsetzung.
Welche Veränderungen wären dringend nötig?
Die Probleme sind klar. Welche Ansätze gibt es aber, um den Problemen entgegenzuwirken? Gerade die angesprochene Aufteilung der Verantwortlichkeiten ist eine Herausforderung. Für die operative Umsetzung von Projekten in den ländlichen Regionen ist die entsprechende Kommune zuständig. Das Land legt den Rahmen fest, in dem Projekte umgesetzt werden können. Ein engerer Austausch zwischen Land und Kreis auf Augenhöhe wäre daher sinnvoll, um die notwendigen Ausbauten gezielt anzugehen. Dabei würde sich anbieten, kleine aber effektive Schritte umzusetzen. Beispielsweise müssen die Kreise natürlich am Ausbau des Breitbandnetzes arbeiten. Jedoch wäre ein sinnvoller erster Schritt, ein flächendeckendes Mobilfunknetzt zur Verfügung zu stellen. Noch gibt es zu viele Orte ohne ausreichenden Mobilfunkempfang. In Regionen mit schlechtem Mobilfunkempfang ist nicht mal an 5G zu denken.
Um die Relevanz von Projekten darzustellen und die Akzeptanz bei den Bürgern und der kommunalen Politik zu erhöhen, sollten der Nutzen und die Vorteile von teilweise langjährigen Projekten erklärt werden. Denn mit einem genau definierten Ziel vor Augen kann Widerständen entgegengewirkt werden.
Die Regionen werden in Zukunft auch auf innovative Ideen angewiesen sein. Bei bestimmen Bauprojekten werden aktuell schon innovative Bauvorhaben geplant und teilweise umgesetzt. Beispielsweise ist in Planung an vereinzelten Rasthöfen die Parkplatzsituation zu entlasten, indem der Parkplatz nach oben ausgebaut wird. Dies würde die Möglichkeit schaffen, dass LKWs weiterhin im „Erdgeschoss“ parken könnten und den PKWs das erste Obergeschoss zur Verfügung steht. Die Umsetzung solcher innovativen Maßnahmen erfordert aber im Vorfeld einen hohen Planungsaufwand, um die Bauvorhaben nicht durch unvorhergesehene Gegebenheiten unnötig zu verlängern.
Welche Maßnahmen können konkret angegangen werden?
Auch wenn eine Region auf den ersten Blick für Unternehmen unattraktiv wirkt, sind meist doch einige Unternehmen an diesen Standorten zu finden. Eine Möglichkeit, die Vorzüge einer Region für Unternehmen sichtbar zu machen, wäre eine gezielte PR-Aktion. Die bereits ansässigen Unternehmen berichten darüber, was der jeweilige Standort für einen Nutzen bietet. Somit können weitere Unternehmen zur Ansiedlung ermutigt werden. Dies steigert stetig die Attraktivität des Standorts für Unternehmer aber auch für Privatpersonen. Voraussetzung hierfür sind natürlich genug freie Gewerbeflächen.
Um den Breitbandausbau einer ganzen Region flächendeckend zu ermöglichen, bietet sich eine Bündelvergabe mehrerer Kommunen an. Die Kreise schließen sich zusammen und holen gebündelt Angebote der Mobilfunkanbieter ein. Je mehr Kreise einer Region sich daran beteiligen, desto wahrscheinlicher ist der gebündelte Ausbau in diesen Gebieten. Dies erfordert natürlich ein strenges Commitment und einen engen Austausch der Kreise. So geschehen in den Kreisen der Region rund um Lahn-Dill.
Um den Personennahverkehr im ländlichen Raum zu stärken, gibt es einige Maßnahmen, an denen die Politik ansetzen kann. Bereits das 9,00 € Ticket hat zumindest in einigen ländlichen Teilen Deutschlands dazu geführt, dass die Bahn zur Fortbewegung häufiger genutzt wurde. Die Einführung ähnlicher vom Staat subventionierter Projekte ist also durchaus sinnvoll. In Regionen, in denen das Schienennetz nicht ausreichend ausgebaut ist, bringt ein solches Angebot jedoch nicht den gewünschten Effekt.
Hier könnte auf Alternativen zurückgegriffen werden. Der Ausbau des On-Demand-Verkehrs und die Nutzung von Carsharing-Angeboten könnte den ÖPNV entlasten und einen Mehrwert für die Bevölkerung bieten.
Erkennt die Politik Schwerpunktstrecken der Bürger, können Bündelangebote geschaffen werden. Wie eine Art Schulbus könnten die betroffenen Personen z. B. zum Bahnhof im nächsten Ort gefahren werden.